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Zucht

Die schwierige Aufgabe der Zucht einst und heute: Den ursprünglichen Typ zu erhalten

Der Berner Sennenhund braucht nicht neu erschaffen zu werden. Vielmehr ist es die Aufgabe des Klubs, das zu erhalten, was die ersten Züchter unter Heims Leitung als richtig erkannt und im Standard festgelegt haben. Im Standard Nr. 45 der FCI ist das allgemeine Erscheinungsbild des Berner Sennenhundes klar vorgegeben:

«Langhaariger, dreifarbiger, übermittelgrosser, kräftiger und beweglicher Gebrauchshund mit stämmigen Gliedmassen, harmonisch und ausgewogen».

Seit jeher ist es eine schwierige Aufgabe der Zucht, Kompaktheit und Knochenstärke beim Berner Sennenhund zu erhalten. Prof. Albert Heim meinte schon in den Anfangszeiten dazu: «Und trotzdem man auf Gedrungenheit ausging, sind doch in den letzten Generationen die Tiere im Gesamtbau wie im Kopf länger geworden. Nun gilt es aufzupassen, dass dies nicht zu weit geht und nicht ins Setterartige ausartet, dass nicht damit auch das Ohr zu gross wird, kurz, dass ein richtiges Mass an Gedrungenheit bleibt». Und weiter: «Mir scheint, wir sollten in der Mittelregion zwischen den Formen bleiben… wir möchten die Tiere weniger roh haben, aber wir müssen uns davor hüten, von diesen Urformen zu weit abzuweichen. Der veredelte Berner Sennenhund soll immer noch ein ziemlich gedrungener und stämmiger Bursche werden, der im Gesamtbau und im Kopf sich etwas dem Neufundländer, aber ja nicht dem Setter nähern darf.»

Die Erhaltung des kräftigen Berner Sennenhundes war in den 80er-Jahren ein Thema, das auch in der Sonderausgabe in der Sonderausgabe vom «Hundesport» zum 75-Jahr-Jubiläum, Nr. 17/1982 angesprochen wurde. Dabei wurde die richtige Balance zwischen dem massiven, kräftigen, eher gedrungenen und kompakten «Bauernhund» und dem beweglichen, oft eher leichten und wendigen «Arbeitshund» als erstrebenswert empfohlen. Der Berner Sennenhund war schon immer ein kräftiger Allgebrauchshund, der sowohl flink genug war, um Kühe zu treiben und zugleich stark genug, um schwere Karren zu ziehen.

Auch bei den heutigen Berner Sennenhunden findet man immer wieder Rassevertreter mit feinem, leichten Knochenbau und schmaler Brustausformung. Leute, die einen Gebrauchs- oder Sporthund suchen, mögen sich daran erfreuen. Trotzdem darf der ursprüngliche massive Bauernhund nicht aus den Augen verloren werden, denn der Typ muss erhalten werden. Gehen Knochenstärke und Kompaktheit verloren und wird der Hund zu feingliedrig und zu zart, enden wir bei einer anderen Hunderasse! Und was vor fast 100 Jahren schon Prof. Heim beobachten konnte, hat sich bewahrheitet. Ein Abdriften ins Setterartige kann kaum rückgängig gemacht werden. Soll der Berner Sennenhund seine ursprüngliche imposante Erscheinung beibehalten, muss in der Zucht das Augenmerk vermehrt auf einen kräftigen Knochenbau gerichtet werden.

Es soll das Ziel der Zuchtverantwortlichen und der Züchter sein, einen beweglichen Arbeitshund mit starkem und massiven Knochenbau, breit und kompakt, jedoch niemals plump oder schwer, anzustreben – die alte und doch ständig neue anspruchsvolle Aufgabe der Zucht.
 

Welpenaufzucht – eine verantwortungsvolle Aufgabe

Einer munteren Schar Bernerwelpen beim Spielen und Herumrennen zuzuschauen, ist etwas vom Faszinierendsten und Drolligsten, das ein Hundefreund erleben kann und selten kann jemand diesem Bäri-Welpenzauber widerstehen. Die Zeiten, als der Hundenachwuchs irgendwo in einem abgesonderten Stall aufgezogen wurde, sind genau so vorbei wie die Selektion nach Geschlecht, Wurfgrösse und Zeichnung. Deshalb ist es heute keine Seltenheit mehr, wenn sieben, acht oder noch mehr dieser tollpatschigen Wollknäuel aus dem gleichen Wurf fröhlich auf die Besucher zurennen. Bis es jedoch soweit war, brauchte es eine lange Entwicklung und ein Umdenken von Seiten der Züchter und des Klubs.
 

Zuchtvorschriften im Wandel der Zeit

Als 1904 die ersten reinrassigen Berner Sennenhunde, damals noch als Dürrbachhunde bezeichnet, gezüchtet wurden, gab es weder Zuchtvorschriften noch die Pflicht, die Würfe zu registrieren. Zwar wurde 1912 vom neu gegründeten Klub beschlossen, dass Hündinnen nur an Klubmitglieder verkauft werden durften.

Die Kontrolle allerdings dürfte damals schwierig gewesen sein, da es weder Wurfkontrollen noch Meldepflichten gab. Im SHSB wurden meistens nur die prämierten Hunde eingetragen und auch das nicht immer. Erst nach dem ersten Weltkrieg (ab 1918) wurden regelmässige Eintragungen der Würfe registriert. Mit der zunehmenden Beliebtheit der Berner Sennenhunde stieg auch die Anzahl der Welpen und der Klub begann, Vorschriften zu erlassen. Die Zeichnung spielte damals noch keine so grosse Rolle und war kein Kriterium für die Selektion. Die Beschränkung in der Welpenaufzucht begrenzte sich ab 1947 mit dem ersten Zuchtreglement vorerst auf die Wurfgrösse. Höchstens 6 Welpen, und davon nur 2 Hündinnen, durften am Leben bleiben.

Als im Jahre 1954 das Welpenangebot grösser war als die Nachfrage, wurde vom KBS eine Zuchtkommission geschaffen und zum ersten Mal ein Zuchtberater eingesetzt. Da auch zuviele, nicht standardgerecht gezeichnete Welpen aufgezogen wurden, führte der Klub 1954 freiwillige Wurfkontrollen durch einen Klubfunktionär ein, die ab 1955 als obligatorisch erklärt wurden. Atypisch gezeichnete und schwache Welpen durften nicht mehr aufgezogen werden. Von da an erhielten nur noch Welpen aus kontrollierten Würfen einen Stammbaum.

1967 wurde die Welpenbeschränkung für Hündinnen auf Verlangen der SKG aufgehoben. Von da an konnten sechs Welpen ungeachtet des Geschlechts aufgezogen werden. 1957 wurde eine Zuchtmusterung (im Exterieur) für angehende Zuchthunde obligatorisch, die 1964 auf eine Prüfung der Wesensveranlagung ausgedehnt wurde. Diese Körungen, wie sie heute genannt werden, bestehen immer noch und bilden einen wichtigen Bestandteil für die Zucht. Bei der Revision des Standards 1972 wurde die Toleranz für die Zeichnung der Welpen herabgesetzt. Welpen mit weissen Halsringen, grossen Nackenflecken, Stiefeln und asymmetrischer Zeichnung konnten nicht mehr aufgezogen werden. 1971 wurde ein Röntgenobligatorium der Elterntiere für Hüftdysplasie (HD) und 1992 für Ellenbogendysplasie (ED) eingeführt. Seit 1984 müssen zudem alle Welpen gekennzeichnet werden (früher mit Tätowierung, aktuell mit Mikrochip).

Anfangs der 90-er Jahre wurden Proteste über die Welpenbeschränkung laut. 1993 wurden die ersten Würfe mit mehr als 6 Welpen aufgezogen und der KBS beschloss 1994, dass künftig acht dem Standard entsprechend gezeichnete, gesunde und kräftige Welpen am Leben bleiben duften, sofern die Aufzucht- und Haltungsbedingungen sowie die zeitliche Verfügbarkeit des Züchters einem Wurf von mehr als 6 Welpen entsprachen. Mehr als 8 Welpen wurden nur bewilligt, wenn beide Elterntiere HD- und ED- frei waren. An der DV 1999 wurde auch diese Auflage – in Anlehnung an das neue Tierschutzgesetzt, welches das Töten von Welpen ohne zwingenden Grund verbietet – abgeschafft. So dürfen seither alle gesunden Welpen aufgezogen werden.
 

Anforderungen an eine Zuchtstätte

Wie bereits erwähnt, gab es für die ersten Züchter keine verbindlichen Vorschriften, weder für Paarung, noch für Zuchttiere und schon gar nicht für die Aufzucht der Welpen. Nun, inzwischen hat sich das alles grundlegend geändert. Das Zuchtreglement wurde im Laufe der Jahre laufend angepasst und präzisiert. Umfasste es zum Beispiel im Jahre 1976 gerade mal zwei zusammengefaltete A-5-Seiten, so ist das im Jahre 2006 revidierte Zucht- und Körreglement eine Broschüre von stolzen 22 A-5 Seiten.

Nebst dem Anforderungsprofil für Zuchthunde, Paarungsvorschriften, der Regelung über Zuchtstättenkontrollen und administrativen Verpflichtungen befasst es sich auch ausführlich mit den Vorschriften über die Würfe, der Aufzucht der Welpen und den Mindestanforderungen an die Zuchtstätten. So ist unter anderem vorgeschrieben, dass jede Zuchtstätte über eine Unterkunft sowie einen Auslauf im Freien in Sicht- und Hörweite der Wohnung verfügen muss. Wurflager und Welpenunterkunft müssen eine geforderte Minimalgrösse aufweisen, trocken, vor Zugluft und Hitze geschützt, mit Tageslicht und genügend Frischluftzufuhr versehen, ausreichend isoliert und für Hunde und Betreuer gut zugänglich sein. Dabei wird genau beschrieben, was unter den Begriffen Unterkunft und Auslauf zu verstehen ist, wie Untergrund, Bodenstrukturen und Umzäunung beschaffen sein müssen, etc. Vorschriften über das Entwurmen und Impfen sind genauso darin enthalten wie Weisungen für Aufzucht und Abgabe der Welpen.
 

Welpenaufzucht

Reglementiert ist auch die Pflicht des Züchters, «alle Hunde, insbesondere Mutterhündin und Welpen, jederzeit fachgerecht zu ernähren, zu pflegen, ihnen genügend Bewegungsmöglichkeiten zu bieten und sich mit ihnen ausreichend zu beschäftigen.» Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, denn wer züchten will, muss vor allem eines haben: Zeit, viel, viel Zeit! Zeit für die Welpen, die Mutterhündin, die Welpenkäufer. Züchten heisst aber auch, nebst Präsenz, Zeit und Geduld immer wieder neue Ideen zu entwickeln. Denn ein Welpenauslauf sollte so gestaltet sein, dass er – dem jeweiligen Reifegrad der Welpen angepasst – immer wieder neue Spiel- und Lernmöglichkeiten bietet, bis er mit der Zeit einem richtigen Abenteuerspielplatz gleicht. Dazu braucht es Fantasie, aber auch Fachwissen und gute Beobachtungsgabe des Züchters. Denn gerade in der Zeit der höchsten Lernbereitschaft brauchen die Welpen ein entspanntes Umfeld, das ihnen ermöglicht, sich mit Spielen, Erkunden und eigenaktivem Ausprobieren weiter zu entwickeln. Nur so können sich die wunderbaren, typischen Berner-Eigenschaften, die bereits im genetischen Potential der Welpen schlummern, weiter entfalten.
 

Prägung auf den Menschen

Zwischen der vierten und siebten Woche ist die Bereitschaft der Welpen am grössten, sich in eine soziale Gemeinschaft einzufügen. Das heisst, dass die kleinen Bäris in dieser Zeit die Gelegenheit haben müssen, möglichst viele verschiedene Menschen beiderlei Geschlechts in jeder Altersstufe und auch Kinder kennen zu lernen. Von grösster Wichtigkeit ist jedoch, dass alle diese Kontakte positiv verlaufen, denn sie können das spätere Verhalten des Hundes nachhaltig beeinflussen. Gerade in der heutigen Zeit um die Diskussionen und die daraus resultierende Problematik der Haltung grosser Hunde, ist eine gute Prägung auf den Menschen von enormer Wichtigkeit.

Von ihrer Veranlagung her sind Berner Sennenhunde absolut sozialverträglich und menschenfreundlich. Gerade deshalb müssen diese Eigenschaften bereits bei den Welpen geweckt, gefördert und gelebt werden, damit sie sich zu diesen liebenswerten, friedlichen und belastbaren Bäris entwickeln können, die – nicht zuletzt ihrer wunderbaren Charaktereigenschaften wegen – so populär und beliebt geworden sind.
 

Weiterentwicklung

Was ein kleiner Hund in unserer lärmigen und hektischen Zivilisation alles lernen muss, ist enorm. Mit vielem wurde er bereits zusammen mit dem Welpenrudel in der Zuchtstätte konfrontiert, und das dort Gelernte gilt sicher als wichtiges Fundament für sein weiteres Leben. Aber nur dann, wenn die Bemühungen des Züchters weitergeführt werden und die enorme Lernfähigkeit des Welpen weiterhin unterstützt wird. Nur im Zusammenspiel zwischen einer seriösen Aufzucht und dem verantwortungsvollen Weiteraufbau des gelegten Grundstocks beim neuen Besitzer kann sich der kleine Bäri optimal entwickeln. Mit dem Einzug in sein neues Zuhause beginnt ein neuer Lernabschnitt, in dem der Welpe mit der grossen weiten Welt konfrontiert wird und zwar ausserhalb seines gewohnten Umfeldes, ohne die Sicherheit des Welpenrudels und ohne Rückendeckung der Mutterhündin. Deshalb braucht er jetzt in erster Linie eine sichere Bindung zu seiner neuen Bezugsperson, aber auch die Möglichkeit, immer wieder neue Erlebnisse machen zu können. Dazu gehören auch verschiedene Sozialkontakte mit Menschen, andern Tieren, fremden Hunden, aber auch Spielmöglichkeiten mit Gleichaltrigen. Welpenspielstunden sind heute zur Selbstverständlichkeit geworden und bieten den Welpen wertvolle Möglichkeiten, ihr Sozialverhalten zu trainieren, die verschiedenen Ausdrucksformen anderer Rassen kennen zu lernen, die Beisshemmung immer wieder neu zu üben, Kontakt zu anderen, ihnen wohlgesinnten Menschen aufzunehmen, im Welpenverband alles Mögliche zu erkunden und sich gemeinsam mit neuen Spiel- und Lernmöglichkeiten auseinanderzusetzen. Aber auch Welpenbesitzer finden Anregungen, wertvolle Tipps und Hilfestellung, erhalten Antwort auf ihre Fragen, und können Erlebnisse und Erfahrungen austauschen.
 

Vom Wuschelwelpen zum Bäri

Im Alter von ungefähr 16 Wochen ist die Zeit der Welpenspielstunden vorbei, die Milchzähne wackeln und auch das wollige Babyfell beginnt, sich zu verändern. Durch das Zusammenleben und die gemeinsamen Erlebnisse ist das gegenseitige Vertrauen gewachsen und die Bindung des Welpen an seine Bezugsperson wird immer stärker und sicherer. Die beste Voraussetzung, dass aus dem wuscheligen Fellknäuel das wird, was ihn so liebenswert macht: ein menschenbezogener, wesensfester, treuer, aufmerksamer und charmanter Freund und Begleiter.
 

Anita Schneider
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